Jüdische Geschichte

„Wer vor der Vergangenheit die Augen verschließt, wird blind für die Gegenwart. Wer sich der Unmenschlichkeit nicht erinnern will, der wird wieder anfällig für neue Ansteckungsgefahr… Die Jungen sind nicht verantwortlich für das, was damals geschah. Aber sie sind verantwortlich für das, was in der Geschichte daraus wird.“ (Richard von Weizsäcker, 1985)

Am Rande des Taunus, etwas abseits der viel befahrenen B 260, der so genannten Bäderstraße, liegt Laufenselden, eine kleine Stadt mit Handwerks- und Handelsbetrieben sowie ihrer funktionierenden Infrastruktur. Heute ist dort der Verwaltungssitz der aus neunzehn Ortsteilen bestehenden Gemeinde Heidenrod. Laufenselden wird schon im dreizehnten Jahrhundert erstmalig in historischen Quellen erwähnt; 1360 erhielt der Ort Stadtrechte. Da von den jeweiligen Fürsten auch Marktrechte verliehen wurden, haben sich dort bald Juden – nachweislich ab dem 18. Jh. – angesiedelt. Außerhalb des Ortes befindet sich ein jüdischer Friedhof, der bis 1936 von den Gemeinden in Laufenselden, Kemel und Holzhausen a.d.H. genutzt wurde. Er wurde während der Ausschreitungen im Dritten Reich teilweise zerstört. Heute wird er von der Gemeinde gepflegt und für Besucher geöffnet. Er ist so der einzige Nachweis jüdischen Lebens, das jahrhundertelang in Laufenselden stattfand und es auch prägte.

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Jüdischer Friedhof in Laufenselden

Seit dem 18. Jh. gab es in Laufenselden eine jüdische Gemeinde. Da den Juden nicht in vollem Umfang die Bürgerrechte gewährt wurden, mussten auch Laufenseldener Juden Schutzgelder bzw. Zölle für ihre Waren an den Landesherrn abführen. Mitte des 19. Jh., als Folge der französischen Revolution, veränderte sich ihre rechtliche und finanzielle Situation. Mit der Genehmigung des Herzogs Adolph von Nassau und der Gewährung eines beachtlichen Kredits der herzoglichen Landesbank wurde 1860 der Bau der Synagoge begonnen. Die Baumaßnahmen gingen zügig voran, so dass schon am 30. August 1861 die Synagoge eingeweiht werden konnte. Es war nicht leicht für die Gemeindeglieder, das Geld für die Rückzahlung des Kredits aufzubringen. Bis nach dem Ersten Weltkrieg, in dem sie auch selbst gekämpft und Auszeichnungen erworben haben, lebten sie als gleichberechtigte Bürger im Ort, was sich u.a. durch alte Mitgliederlisten der ortsansässigen Vereine nachweisen lässt.

Nichts im ganzen Ort deutet heute noch darauf hin, dass in der Kastellstraße eine kleine aber durchaus stattliche Synagoge stand, von S. Lilienthal in seinem Buch „Jüdische Wanderungen“ 1938 erwähnt. Sie wurde bis zu ihrer Zerstörung 1938 von der jüdischen Gemeinde genutzt. Nur wenige der ehemaligen jüdischen Einwohner konnten durch die Flucht ins Ausland überleben. Von manchen Landsynagogen in Deutschland gibt es wenigstens noch ein Foto. Andere, die nicht völlig zerstört wurden, sind wieder hergerichtet worden. Auch die Laufenseldener Synagoge war durch den Brand 1938 nicht vollständig zerstört. Trotzdem wurde nicht in Erwägung gezogen, sie zu erhalten, zu sanieren und weiterhin als Versammlungsraum zu nutzen.

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Ruine der Synagoge in Laufenselden, 1938

Während der judenfeindlichen Ausschreitungen, die sich gegen Geschäfte, Häuser und Wohnungen der Juden richtet, wird am 10. oder 12. November 1938, um 12:00 Uhr mittags, der Synagogeninnenraum mit brennbarer Flüssigkeit ausgegossen und angezündet. Hierbei werden das vollständige Mobiliar, die Inneneinrichtung, alle Kult- sowie Ritualgegenstände und das Dach vernichtet. Niemand versuchte den Brand zu löschen. Am 15. Juli 1940 wird das Grundstück auf dem sich die Synagoge befand offiziell verkauft für einen Preis von 200 Reichsmark.

Am 02. September 1949 ergeht ein Strafurteil des Landgerichts Wiesbaden die Zerstörung der Synagoge betreffend. Ein am 06. September 1950 ausgehandelter Vergleich zwischen der Jewish Restitution Successor Organization (JRSO) und dem neuen Besitzer des Grundstücks, mithilfe des Amtes für Vermögenskontrolle und Wiedergutmachung in Wiesbaden, beinhaltet die Rückgabe des Grundstücks, den gegenseitigen Verzicht auf weiterreichende Ansprüche und die Rückübertragung im Grundbuch. Am 26. April 1954 verkauft die JRSO die ausgebrannte Synagoge und das dazugehörige Grundstück für 500 Deutsche Mark an eine Privatperson. Im Dezember 1954 wird ein Wiedergutmachungsantrag, über die Synagoge, ihre Inneneinrichtung, sowie die Kultgegenstände, an die zuständige Entschädigungsbehörde gestellt. Nach weiteren Versuchen und einer Initiative des Landrats des Untertaunuskreises zu Beginn des Jahres 1960, konnten keine weiteren Informationen über die jüdische Gemeinde in Laufenselden über das bekannte hinaus gefunden werden. So wird am 29. November 1961 durch einen Vergleich die Akte geschlossen. Seit den Ereignissen des Jahres 1938 ist jüdisches Leben in Laufenselden ausgelöscht. Die Ruine wurde zum Wohnhaus umgebaut. Eine Gedenktafel befindet sich am Laufenseldener Friedhof.

Rekonstruktionsentwurf der Synagoge in Laufenselden, vor 1938

Rekonstruktionsentwurf der Synagoge in Laufenselden, vor 1938

Das aufgrund der ermittelten historischen Daten virtuell erstellte Bild der Laufenseldener Synagoge (erstellt von Architekt Dipl.-Ing. Wolfgang Allin aus Watzelhain) entspricht wahrscheinlich dem Aussehen des bis 1938 bestehenden Gebäudes.

Weitere Informationen erhalten Sie durch die Broschüre „Die Synagoge in Laufenselden“ erstellt von der Forschungsgemeinschaft Jüdische Geschichte Laufenselden-Kemel im Heimatverein Heidenrod e.V. Als Ansprechpartner_innen stehen Ihnen hier Frau Eva Göbel und Frau Ruth Hengstenberg zur Verfügung.

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Die Broschüre kann für einen Preis von fünf Euro (5€) zuzüglich Versandkosten beim Heimatverein bezogen werden.